Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Freitag, 17. September 2010


Samstag, 12. Juni 2010

Anfänge Outing Verein ehemaliger HEIMKINDER.EV.e

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung sowie Übersetzung. Kein Teil dieser Blogeinträge  darf in keiner Form ohne schriftliche Genehmigung reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 von Gisela Nurthen und Marion J.Zagermann Paderborn 2003

  DAS SCHWEIGEN DER (UNSCHULDS)LÄMMER : KIRCHE UND STAAT
  – betreffs Institutioneller Kindesmisshandlung in meistens kirchlichen Heimen in Deutschland

Es ist schon erstaunlich und macht einen nachdenklich, wenn man erwägt, dass bis heute eines der größten Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte- und Sozialpolitik einfach unter dem Deckel des Schweigens verschwindet. Aber unter dem Deckel brodelt es, denn was bekanntlich lange vor sich hin kocht, läuft irgendwann mal über den Rand. Und seit einiger Zeit schon ist das jetzt der Fall.

Damit sind aber scheinbar unsere führenden Politiker aller Parteien völlig überfordert. Ebenfalls die "Hoheiten" der beiden deutschen Amtskirchen. Denn sie alle sind verantwortlich für die Kinder und Jugendlichen der Nachkriegsjahre, die in den von ihnen geleiteten 'Heimen' unfassbaren Leiden ausgesetzt waren: Zwangsarbeit, Demütigungen, Folterungen, Misshandlungen und Missbrauch.

Die Opfer dieser Leidenszeit sind jetzt aber motiviert darüber zu berichten, ein öffentliches Unrechtsbewusstsein zu fordern und ihre Rechte geltend zu machen. In Kinder- und sogenannten "Fürsorge"-Heimen wurden die Hilfsbedürftigen und ihre Menschenrechte mit Füßen getreten, gemäß der Leitschnur der Nationalsozialisten, und weitergehend so nach 1945; und auch nach 1949 wurde es massenhaft fortgesetzt, noch bevor die Tinte beim Unterschreiben des Grundgesetzes trocken war. Kinder wurden halbtot geprügelt, in Isolierhaft gesteckt und fast bis zum Verhungern liegengelassen.

Was jahrelang verdrängt und verschwiegen wurde, zu schwersten Traumatisierungen führte, hat jetzt eine Sprache bekommen. Einige mutige Medienvertreter bringen an’s Tageslicht, wovon jahrzehntelang niemand etwas wissen wollte. Die Medienpräsenz einiger ehemaliger Opfer motivieren weitere der Geschädigten aus ihrer Isolation und aus ihrem autistisch geführtem Leben herauszubrechen, um ihrem Dasein einen neuen Sinn zu geben: dem Sinn der Aufklärung jetzt nachzugehen und ihn leidenschaftlich und mit Entschlossenheit zu verfolgen.

Warum tut sich Deutschland damit schon wieder so schwer? Warum wird wieder verleugnet? Oder ist es wirklich so, dass uns erst wieder das Ausland auf die Sprünge helfen muss, diese dunkelsten Jahre der Kindheitsverbrechen an unseren deutschen Mitbürgerinnen verständlich zu machen? Lokale und überregionale Print-Medien, TV und Hörfunk haben jetzt angefangen ab und zu mal darüber zu berichten; allerdings schweigt die Gesellschaft als Ganze, schweigen die Kirchenvertreter und Politiker, noch immer. Unwillkürlich (was die beiden deutschen Amtskirchen und die Politiker betrifft) denkt man dann aber auch sofort an die drei sitzenden Affen: Der erste will nichts hören, der zweite will nichts sehen, und der dritte will nichts sagen. Oder ist es der bekannte Wind, der uns schon nach 1945 umwehte? Man wusste nichts, aber man wusste doch nicht so recht ob man was wusste?

Hatten ehemalige Bedienstete in diesen 'Heimen' Angst um ihre beruflichen Zukunftschancen, oder waren sie schon infiziert vom "Erreger" der Brutalität? Warum schwiegen Ärzte, Studenten, Lehrer, junge Novizen und Priester der Orden, Diakonissen und Diakone des Evangeliums, die angeblich ihr Leben der Nächstenliebe geweiht hatten? Alle sahen die Wunden, die Eiterbeulen, die Striemen, die geschwollenen Gesichter verursacht durch Schläge – sie blickten doch täglich in die blutunterlaufenen Kinderaugen! Ist es nicht beschämend, in Deutschland mit einer fast 60 Jahre langen Lücke in der Heim-Pädagogik aufweisen zu müssen? Ja, wir haben alles gelesen, haben turmweise Bücher aus pädagogischen Fachhochschulen nach Hause geschleppt, um irgendetwas zu finden, was wir selbst erlebt hatten. Es ist verdammt hart zu finden. Alles bleibt tabuisiert, verschwiegen und versteckt, bis heute.

Geht es aber um Missstände im Ausland, wird eiligst das Mäntelchen des politischen Gutmenschen übergestreift um sich dementsprechend zu profilieren. Auch die Medien werden nicht müde, über Kinder-Zwangsarbeit, Kinderfolterungen oder über Käfig-Haltung von Kindern in irgendwelchen anderen Ländern zu berichten. Da braucht ihr gar nicht so weit schauen, wir sind hier, wir leben noch, wir haben die deutsche Version von 1945-1985, über zwei Generationen hinweg am eigenen Körper erlebt! Während in Kinos "Grün ist die Heide" lief, waren Hunderttausende von Kindern und Jugendlichen wehrlos einem Terror-Regime ausgesetzt, hinter Stacheldraht oder hohen Mauern, oder in Abgelegenheit in Teufelsmooren wie zum Beispiel im Betheleigenen Freistätter Wietingsmoor im Hannoverschen, wo dieses Terror-Regime mindestens für insgesamt 86 Jahre von Bethel getrieben wurde.

Versuche von einigen "ehemaligen Heimkinder" durch Internet-Foren mit Politikern oder Kirchenverbänden die Sache aufzuarbeiten, scheitern schon beim ersten Versuch. Es wird weiterhin verhöhnt, verleugnet, überhaupt nicht geantwortet oder einfach gelöscht. Gelöscht?! Das lässt Erinnerungen an die Bücherverbrennung während der NS-Zeit hochkommen!

Wir alle, Mitglieder der *Bundes-Interessengemeinschaft der missbrauchten und misshandelten Heimkinder in Deutschland, 1945-1985*, international vertreten durch den *Bund der (jetzt aktiven) von den Kirchen in Deutschland in Heimen misshandelten Kinder, 1945-1985* sind und waren immer bereit für eine direkte Konfrontation mit den Verantwortlichen, um unsere Traumata besser verarbeiten zu können. Leider müssen wir immer wieder erfahren, dass wir weiterhin unerwünscht sind, und kein Interesse an den Folgeerscheinungen dieser Leidenszeit besteht. Allein der Landschaftsverband Westfalen-Lippe erklärte sich bereit, Gespräche mit uns zu suchen und unsere Akten ausfindig zu machen. Dieses Versprechen wird auch eingehalten.

Doch sollten auch die jetzigen Nachfolger und Verantwortlichen von Kirche und Politik diesem Beispiel folgen und diesem Teil der Geschichte nachgehen. Sie sollten nicht weiter so tun, als hätte es diese Zeit nie gegeben. Es gab sie, und wir sind ihre Zeitzeugen!

Auch ist es für die jüngere Generation wichtig, über diese Zeit zu erfahren. Immer wieder werden wir gefragt: "Warum steht so etwas nicht in Geschichtsbüchern? Wir dachten, nach 1945 war Schluss damit." Da müssen wir dann leider antworten, dass es für uns erst richtig anfing, und dass niemand sich um uns kümmerte.

Jetzt aber stehen wir die betroffenen "ehemaligen Heimkinder" Deutschlands vereinigt und entschlossen einander zur Seite: einer für alle und alle für einen – gemeinsam anstatt einsam. Und so treten wir jetzt unseren damaligen Peinigern entgegen und verlangen einstimmig unser Recht auf Gehör.

Wie junge Knospen reckten wir uns Der Sonne entgegen
  Wollten das Leben probieren
  Wollten vom sanften Wind
  Der Liebe gestreichelt werden
  Wollten tanzen, wollten Bewegung
  Wollten stark werden
  Doch die Bräute Christi
  Fesselten uns
  Mit dem Befehl eines permanenten Silentiums.
  Wir wollten wachsen und gedeihen.
  Wir gingen nur etwas in die Höhe.

  Ein Meer von Blüten der Jugend
  15, 16, 17, 18 Jahre alt
  Warteten hoffnungsvoll auf eine Zukunft
  Doch Gottes stellvertretende Hände
  Wurden Fäuste, peitschten nieder
  Auf junge Körper und Seelen
  Ertränkten uns im Meer eigener Tränen.
  Viele weinen noch immer!


DER GRUNDSTEIN VEREIN EHEMALIGER HEIMKINDER.ev.e wurde in PADERBORN gelegt.




Im Februar 2003 erschien in einem Paderborner Kino der Film "The Magdalene Sisters".
Der in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnete Film, zeigte die erschütternde Geschichte von angeblich gefallenen Mädchen im Irland der 60er Jahre.
Nachdem sich herumgesprochen hatte wo dieser Film zu sehen ist, wurde der Film sofort aus dem Paderborner Kino entfernt. Dies war der Anfang für drei ehemalige Heimkinder aus Paderborn welche dieselben Erlebnisse in Deutschlands Heime, von 1950-1970 erlebten. Eine der dreien schrieb den Spiegel an und beschwerte sich darüber das sie genau dasselbe im Dortmunder Vinsenzheim erlebt hatte..
Peter Wensierski ein Spiegejournalist und Buchautor nahm sich die Erlebnisberichte der drei ehemaligen Heimkinder an.
Im Mai 2003 erschien der Artikel über die drei Heimkinder in der Zeitschrift.” Spiegel” ,zusätzlich ein Spiegel TV Bericht eine Woche später bei Spiegel TV, Sonntags 22.25 Uhr .
In den folgenden Wochen erhielten wir über 150 Leserbriefe und Anfragen von Medien die meisten von ehemaligen Heimkindern die auch in anderen Heimen dasselbe erlebt hatten,.
Die Arbeit war für diese drei Heimkinder mit Regina Eppert und Elke Meister kaum zu bewältigen, so wurde dann entschieden einen Verein für ehemalige Heimkinder zu gründen. Im August 2003 war das erste Treffen in Dortmund, im November 2003 sollte erst eine Bundes- Interessengemeinschaft gegründet werden aus der im Oktober 2004 dann der VEH.ev enstanden ist. Aus wichtigen Gründen musste der Termin zur Gründung zum 09.01.2004 in Paderborn verschoben werden, nämlich der LWL in Münster erklärte sich bereit am 21.11.2003 an diesem Tage vertreten durch Herrn Lehmkuhl , u. Herr Ditrich bei diesem Termin dabei zu sein Ein aufregender Tag für die ehemaligen Heimkinder welche an diesem Tage angereist sind, um das erste Mal vor der Presse und dem LWL über Ihre Erlebnisse zu sprechen. Am 09.01.2004 gründete sich die Bundes-Interessengemeinschaft ehemaliger Heimkinder in Paderborn von 1945-1975.Der Vorreiter zum “VEREIN EHEMALIGER HEIMKINDER.EV.
Die Gründung des VEH.ev im Kalmenhof wurde in Abwesenheit der Personen aus Paderborn, Münster und Warendorf mit neuen ehemaligen Heimkinder zusammengestellt und beschlossen.Die Anreise zum Kalmenhof war zu anstrengend. Die Zusammenarbeit mit Heinz Peter Junge lief über das Telefon. Im August 2005 war der VEH.ev offiziell durch Jürgen Schubert der als Vorsitzender gewählt wurde, beim Aachener Amtsgericht eingetragen worden Bis September 2005 koordinierten beide Paderborner Frauen über Paderborn, Münster, Kassel und Warendorf den bundesweiten Verein ehemaliger Heimkinder von 1945-1975.
Hierzu ist anzumerken, das Regina Eppert und Elke Meister die ersten waren die mit großem Engegement gemeinsam mit den beiden Frauen aus PB das Vorantreiben des Vereins und dessen Aufgabe bewältigt hatten. Leider sind alle diese Personen aus dem Verein, nach dem Führungswechsel Anfang 2009 zurück, nicht mehr als Mitglied anerkannt worden -oder ausgetreten.

Brief an die Ministerien der Justiz am 10.10.2003

Brief an die Ministerien der Justiz

10.10.2003
von Gisela Nurthen und Marion J. Z Paderborn

An die Bundesministerin der Justiz
Frau Brigitte Zypries
Mohrenstrasse 37
10117 Berlin


Sehr geehrte Frau Zypries,

ich nehme hier kurz Stellung zu ihrem Brief an Frau Ute Berg vom 28.11.2003. Wir selbst sind Betroffene und Geschädigte dieser 'Fürsorge'-Erziehung in den 60er und 70er Jahren.
Ich bin der Meinung, dass nicht nur aus heutiger Sicht unsere Schicksale erschütternd sind, sie sind und waren einfach erschütternd. Ich weiß nicht, was Sie mit "Extremfällen" meinen? Selbst wenn es ein allgemein gültiges Bild in anderen kirchlichen Kinder- und Fürsorgeheimen gewesen ist, können Sie es nicht einfach damit entschuldigen.
Damalige "Werte" und "Rechtsvorstellungen" legitimieren sicherlich nicht die massivsten Misshandlungen (Erbrochenes aus der Kloschüssel essen, Bettnässer-Kinder ein paarmal unter kaltes Badewasser tauchen bis kurz vorm Ersticken [sic], Kinder mit Urin-nasser Hose Parade laufen lassen, um mit beauftragtem Hohn und Spott der anderen [Kinder] verhöhnt zu werden? Oder mit Urin-getränktem Laken so lange stehen zu müssen, bis es trocken war? Mit Peitschen blutig geschlagen zu werden; wegen Sprechens oder Lachens in Isolierhaft zu kommen, bei verschimmeltem Brot und Wasser? Oder das Beichtgeheimnis? Auch dieses wurde in einigen Heimen verletzt und der Beichtvater hielt danach den Stock zusätzlich bereit.
Ob diese Menschen wohl jemals wieder Vertrauen konnten?
Sexueller Missbrauch, sexuelle Misshandlungen durch Ordenspersonal, Pfarrer, und Bedienstete. All’ das wurde uns jahrelang zugefügt.
Was wir uns auch nicht vorstellen können: dass die Definition in den 50er, 60er, 70er Jahren bezüglich „FÜRSORGE-ERZIEHUNG“ massivste Misshandlungen, Folter, und sexuellen Missbrauch beinhaltete.
Ebenfalls unvorstellbar ist, dass die Weltanschauung der Kirche vor 40-50 Jahren eine andere war als das, was sie sich auch heute noch auf ihre „Fahne“ schreibt, nämlich: Nächstenliebe, Hilfe gegenüber den Ärmsten, aber ganz besonders Schutz und Liebe gegenüber den verlassenen Kindern. Setzt man dies um in die Realität, scheint es einer Schizophrenie gleichzukommen. Nächstenliebe hat keiner von uns erfahren dürfen.
Die Gesetzgebungen mit ihren Paragrafen geben einen politisch-korrekten Eindruck, entsprechen aber nicht der Realität.
Wir befinden uns seit Jahren in Therapie (inkl. Beratungsstellen), aber Opfer der 'Fürsorge'-Einrichtungen verdienen öffentliche Beachtung und Anerkennung der ihnen zugefügten Verletzungen, der physischen, der psychischen und sexuellen Gewalt. Nur dies ist ein Moment, das den Anstoß zu einer Heilung geben kann.
Wir benötigen für unsere Heilung eine öffentliche Auseinandersetzung und Akzeptanz von Seiten der Verantwortlichen: Kirche, Staat und Politik.
Bagatellisierung entbindet die Täter und Täterinnen von der Verantwortung für die Tat, weisen die Schuld anderen Personen oder bestimmten Umständen ("Normen" und "Wertevorstellungen") zu.
Ich hoffe, dass Sie uns Betroffene durch diesen Brief etwas besser verstehen werden und auch eine andere Sicht einnehmen können.
Es wäre schön, wenn Sie sich bald bei uns melden und uns mitteilen [würden], wie Sie uns in Ihrer Position unterstützen können.
Wir wünschen Ihnen frohe Festtage,
mit freundlichen Grüßen,
Gisela Nuthen
Marion Jolene Zagermann


24.11.2003

VON ANJA SPARBROD
Neue Westfälische 24.11.2003
Paderborn. Matthias Lehmkuhl und Peter Dittrich vom Landesjugendamt beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sind geschockt. „Das ist ja wohl unvorstellbar“, sagt Lehmkuhl. Mehr als drei Stunden haben die beiden LWL-Mitarbeiter sich die Lebensgeschichten von Menschen, die ihre Kindheit und Jugend in christlichen Heimen verbringen mussten angehört.

Und wenn die einzelnen Geschichten der 50er, 60er und 70er Jahre ganz unterschiedlich sind: Die Menschen, die sich im Arbeitslosenzentrum in Paderborn versammelt haben, berichten von Schlägen, Schikanen, Missbrauch. Da ist Gerd, der am Salvatorkolleg in Hövelhof für große Unternehmen arbeiten musste. War er aufsässig, kam er in den „Bunker“. Nur ein Bett und ein Eimer waren in dem Raum. „Zwei Wochen keinen zum Sprechen, nichts zu lesen“, sagt er. Seine Stimme wird brüchig, Ehefrau Elke kommen die Tränen. Viel zu lange hat ihr Mann geschwiegen. Pierre, der mit zwölf Geschwistern im St. Hedwigsheim in Lippstadt untergebracht war, durfte „zur Strafe“ nicht zur Beerdigung seiner Mutter und Stefan kann sich noch an die Namen jedes einzelnen Mannes erinnern, der sich die kleinen Jungs am Wochenende aus dem
Josefskinderheim in Lippstadt zu sich nach Hause
holte, um sie dann zu missbrauchen. „Es ist bedrückend, so etwas zu hören“, sagt Herr Dittrich. Als vor einem halben Jahr die ersten Schicksale von ehemaligen Heimkindern an die Öffentlichkeit kamen, stoppte der LWL sofort die turnusmäßige Vernichtung von Akten. „Viele Akten aber existieren leider nicht mehr“, so Dittrich. Und die so beschuldigten Nonnen, Heimleiter und zuständigen Aufsichtspersonen beim LWL sind inzwischen betagt und alt.

„Wir können nur anbieten, dass wir bei der Aufarbeitung der Einzelfälle behilflich sind“, so die beiden Mitarbeiter vom Landesjugendamt. Darüber hinaus werde sich der Landesjugendhilfeausschuss in seiner nächsten Sitzung noch vor Weinachten mit dem Thema befassen. Das ist auch der Initiative der Paderbornerin Marlene Lubek zu verdanken, sie ist Mitglied der SPD-Kreisfraktion in Paderborn und der Landschaftsversammlung in Münster. Auch die Träger der freien Wohlfahrtspflege werden inzwischen sensibel für die Thematik: Die Caritas in Paderborn plant eine Fachtagung zum Thema.

Zu einer Vereinsgründung, wie es eigentlich geplant war, kam es an diesem Tage noch nicht. Stattdessen haben sich die Betroffenen zur „ Bundes-Interessengemeinschaft misshandelter ehemaligen Heimkinder von 1945-1985 zusammengeschlossen.
@ November 2003
@2003
16.12.2003 Landesjugendamtes erliegt bei seinem Angebot der UnterstützungIn den letzten Jahren meldeten sich in unregelmäßigen Abständen Betroffene beim Landesjugendamt und baten um Informationen über ihre früheren Heimaufenthalte im Rahmen der Fürsorgeziehung bzw. der freiwilligen Erziehungshilfe. Die erbetenen Angaben (Zeitraum, Dauer, Ort, Ursache, Familienverhältnisse ) über ihren früheren Heimaufenthalt wurden - soweit die Akten nicht mit Ablauf von 30 Jahren nach Beendigung der Hilfe vernichtet worden war - in der Regel schriftlich bzw. im persönlichen Gespräch vermittelt. Bei länger als 30 Jahren zurückliegenden Hilfen erfolgte in Einzelfällen eine Akteneinsicht über das Westfälische Archivamt, bei dem aus jedem Jahrgang zahlreiche Einzelfallakten, die zum Teil bis in die 30er-Jahre zurückreichen, erhalten geblieben sind. Die Praxis der 30-jährigen Aufbewahrungsfrist folgte - ohne gesetzlich geregelt zu sein - aus den bestehenden Verjährungsfristen für gegenseitige Ansprüche in Analogie zur Aufbewahrung im Gesundheitswesen. Mit der sukzessiven Versendung der Rentenmitteilungen durch die BFA nahmen auch die Anfragen an das Landesjugendamt zu. Neben den bloßen Unterbringungszeiten rückte dabei immer mehr die Frage in den Vordergrund, wie Arbeitsleistungen der Untergebrachten innerhalb von Einrichtungen bzw. für Fremdfirmen rentenversicherungsrechtlich zu bewerten sind. Um hierfür im schutzwürdigen Interesse der Betroffenen eine mögliche Informationsquelle weiter vorhalten zu können, ist die Aktenvernichtung ab dem Jahre 1972 als Beendigungsdatum der Hilfe bis auf Weiteres ausgesetzt worden. Die Frage eventueller sozialversichtungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse wird im Einzelfall aufgegriffen werden müssen. In den bis heute nachgefragten Einzelfällen ist eine abschließende Bewertung dieser Frage ohne Hinzuziehung von eventuell beim Einrichtungsträger noch vorhandenen Akten nicht zu beantworten.

Ganz aktuell häufen sich Anfragen von Betroffenen, die um Unterstützung bei der Aufarbeitung möglicher Misshandlungen in Fürsorgeeinrichtungen bitten. Mit zunehmendem Echo in den Medien beklagen ehemalige Fürsorgezöglinge aus den 60er- und 70er-Jahren, sie seien in kirchlichen Einrichtungen körperlich schwer misshandelt oder auch sexuell missbraucht worden. Einrichtungen und zum Teil auch Namen von Täterinnen und Tätern werden dabei dem Landesjugendamt gegenüber konkret benannt. Ausgangspunkt derartige Initiativen war ein umfangreicher Artikel unter dem Titel „Unbarmherzige Schwestern“ (der Spiegel, 21/2003 [vom 19. Mai 2003], Seite 70) der aus den Biografien einzelner Betroffener berichtete. Auch der WDR hat unter dem Titel „Fromme Prügel“ eine entsprechende Reportage über ein betroffenes Geschwisterpaar gedreht.

Durch diese Berichterstattung in den Medien sowie durch entsprechende Foren im Internet (heimkinder.net im Jahre 2003) nimmt die Anzahl von Betroffenen, die sich über derartige Zustände beklagen, zur Zeit zu. Am 21.11.2003 haben sich in Paderborn Betroffene zu einer
„Interessengemeinschaft der ehemaligen Heimkinder Deutschland“ zusammengeschlossen. Gegenüber Vertretern des Landesjugendamtes sind anlässlich dieses Treffens die Vorwürfe unmittelbar von den Betroffenen detailliert vorgetragen worden.

Das Landesjugendamt hat seine Unterstützung bei der erforderlichen Aufarbeitung im Rahmen seiner Möglichkeiten zugesagt. Neben der Klärung o.a. rentenversicherungsrechtlicher Fragen im Einzelfall waren bereits die Möglichkeiten von Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz bzw. eventueller inzwischen allerdings verjährter zivilrechtlicher bzw. strafrechtlicher Prüfungen Gegenstand der Einzelanfragen.

Hauptaugenmerk des Landesjugendamtes erliegt bei seinem Angebot der Unterstützung an die Betroffenen zur Aufarbeitung bei einer angemessenen Berücksichtigung der betroffenen Einzelschicksale.


Landschaftsverband Westfalen-Lippe
Landschaftsverband sagt Betroffenen Hilfe zu.



VON ANJA SPARBROD
2003
Paderborn. Matthias Lehmkuhl und Peter Dittrich vom Landesjugendamt beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sind geschockt. „Das ist ja wohl unvorstellbar“, sagt Lehmkuhl. Mehr als drei Stunden haben die beiden LWL-Mitarbeiter sich die Lebensgeschichten von Menschen, die ihre Kindheit und Jugend in christlichen Heimen verbringen mussten angehört.

Und wenn die einzelnen Geschichten der 50er, 60er und 70er jahre ganz unterschiedlich sind: Die Menschen, die sich im Arbeitslosenzentrum in Paderborn versammelt haben, berichten von Schlägen, Schikanen, Missbrauch. Da ist Gerd, der am Salvatorkolleg in Höfelhof für große Unternehmen arbeiten musste. War er aufsässig, kam er in den „Bunker“. Nur ein Bett und ein Eimer waren in dem Raum. „Zwei Wochen keinen zum Sprechen, nichts zu lesen“, sagt er. Seine Stimme wird brüchig, Ehefrau Elke kommen die Tränen. Viel zu lange hat ihr Mann geschwiegen.

Kinder wurden halb tot geschlagen“ sagt sie. Pierre, der mit zwölf Geschwistern im St. Hedwigsheim in Lippstadt untergebracht war, durfte „zur Strafe“ nicht zur Berdigung seiner Mutter und Stefan kann sich noch an die Namen jedes einzelnen Mannes erinnern, der sich die kleinen Jungs am Wochenende aus dem
Josefskinderheim in Lippstadt zu sich nach Hause
holte, um sie dann zu missbrauchen. „Es ist

bedrückend, so etwas zu hören“, sagt Dittrich. Als vor einem halben Jahr die ersten Schicksale von ehemaligen Heimkindern an die Offentlichkeit kamen, stoppte der LWL sofort die tournusmäßige Vernichtung von Akten. „Viele Akten aber existieren leider nicht mehr“, so Ditrich. Und die so beschuldigten Nonnen, Heimleiter und zuständigen Aufsichtspersonen beim LWL sind inzwischen betagt und alt.

„Wir können nur anbieten, dass wir bei der Aufarbeitung der Einzelfälle behilflich sind“, so die beiden Mitarbeiter vom Landesjugendamt. Darüber hinaus werde sich der Landesjugendhilfeausschuss in seiner nächsten Sitzung noch vor Weinachten mit dem Thema befassen. Das ist auch der Initiative der Paderbornerin Marlene Lubek zu verdanken, sie ist Mitglied der SPD-Kreisfraktion in Paderborn und der Landschaftsversammlung in Münster. Auch die Träger der Freien Wohlfahrtspflege werden inzwischen sensibel für die Thematik: Die Caritas in Paderborn plant eine Fachtagung zum Thema.
@Neue Westfälische 2003

Buchvorstellung von Marion J. Z

Buchvorstellung von M. J. Z

Paderborn, 1. Februar 2006

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren.

Nach drei Jahren intensiver Recherche haben wir es nun geschafft. Viele ehemalige Heimkinder wurden dabei nach vielen Jahren mit dem konfrontiert, was uns ein Leben lang begleitet hat, worüber wir aber aus Angst und Scham nie sprechen wollten.

Obwohl wir uns schon länger kannten (seit ca. Januar 2001), hat mich meine Freundin Gisela Nurthen damals erst nach langer Zeit des Beobachtens (erst in Januar 2003) gefragt: "Sag mal Marion, kann es sein das Du einmal in einem Heim warst?". Ja, ich war wie vor den Kopf gestoßen aber sagte trotzdem sofort "Ja". Obwohl wir uns glaubten zu kennen, hatte keiner von dem anderen diese Tatsache gewusst. Beide waren wir ehemalige Heimkinder.

Gisela Nurthen war als Teenager von den westfälischen Jugendbehörden vier Jahre lang bei den Nonnen im Dortmunder Vincenzheim eingesperrt worden, wo sie in den 1960er Jahren gezwungen wurde, schweigend, 10 Stunden lang von Montag bis Freitag, und halbtags am Samstag, unentlohnt, in der für diesen Orden – die Vincentinerinnen – sehr lukrativen heimeigenen Grosswäscherei, zu schuften.

Ich musste meine Kindheit und Jugend in verschiedenen konfessionellen Heimen in Westfalen-Lippe verbringen, eingeschlossen in dem damals von Diakonissen betriebenen berüchtigten Scherfede. Es waren furchtbare Zeiten auch für mich.

Das Stigma ein Heimkind gewesen zu sein, hat uns immer begleitet und wir haben es vor allen Menschen versucht zu verstecken.

Wir glaubten, andere Menschen würden uns dann nur als minderwertig oder gar als kriminell ansehen! So wurde es damals auch in der Gesellschaft, in den Familien, den Kindern erzählt: "Kinder aus Heimen taugen nichts."

Dieses Gefühl, diese Ängste vor Menschen, hat man uns in den Heimen anerzogen.

Jeder der sich mit der deutschen Geschichte einmal wirklich richtig auseinandergesetzt hat, wird in diesem jetzt erschienenen Buch zu diesem Thema, hoffentlich endlich erfahren, was wir erlebt haben, wer wir waren und wie sehr wir gelitten haben.

Mit diesem Buch, das wir mit dem Autor auch demnächst in Paderborn vorstellen wollen, ist für uns die Hoffnung verbunden, dass endlich das vielleicht größte Unrecht an uns Kindern und Jugendlichen der Nachkriegszeit zur Sprache kommt.

Mehr als eine halbe Millionen Kinder waren von 1945 bis weit in die 70 Jahre in den rund 3000 Heimen West-Deutschlands eingeliefert und eingesperrt worden und viele ihnen sind durch diese Erziehung schwerstens traumatisiert worden.

Ich erinnere hier auch an den kürzlich erschienenen Film über den Fall von Paul Brune: "Lebensunwert – NS Psychiatrie und ihre Folgen!" Dieser Film wurde von Dr. Krieg und Monika Nolte recherchiert und gedreht.

Ich selber habe mich ein Leben lang schlecht gefühlt und wusste nicht "Warum?" Ich kam mit 10 Monaten ins Heim und musste 16 Jahre lang dort verbleiben. EDIT quälten mich über alles, als letzten Ausweg, mich allem zu entziehen. Es war ein schweres und anstrengendes Leben.

Ich möchte alle unbedingt auf dieses SPIEGEL-Buch hinweisen und aufmerksam machen: "Schläge im Namen des Herrn – Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik". Es ist hoch zu empfehlen! Dieses Buch wird ab etwa dem 11. Februar 2006 in den Buchläden erhältlich sein.

Ich hoffe, dass es auch für die heutige Generation von Pädagogen, Erziehern und Heimbetreibern wertvoll sein wird, und auch in den Schulen eine Bereicherung im Lehrplan. Weil jeder ein wachsames Auge haben sollte und ein Wissen darüber, was die vorherige Generation für Fehler mit Kindern und Jugendlichen gemacht hat, die sich nie wiederholen dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

M.J Z.


Zum ersten Jahrestag der Veröffentlichung des SPIEGEL-Buches

11.02.2007 http://www.schlaege.com


Zum ersten Jahrestag der Veröffentlichung des SPIEGEL-Buches
"Schläge im Namen des Herrn - Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik"


11.02.07 Heute vor einem Jahr...
...erschien das Buch “Schläge im Namen des Herrn”!


Darum sei hier an dieser Stelle einmal allen herzlich gedankt, die daran mitgewirkt haben: insbesondere den ehemaligen Heimkindern, die für das Buch das erste Mal den Mut hatten, über ihr Schicksal zu berichten. Damit haben sie mitgeholfen, das jahrzehntelange Schweigen über eines der dunkelsten Kapitel der Nachkriegsgeschichte zu brechen und den Opfern der Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland endlich Gehör zu verschaffen: bei den Kirchen, beim Staat, bei den Betreibern der Heime und in der gesamten Gesellschaft. Dazu haben auch das grosse Medienecho auf das Buch sowie der Verein ehemaliger Heimkinder und zahlreiche engagierte Einzelpersonen in diesem Jahr vielerorts mit beigetragen.
Die verstorbene Gisela Nurthen, einst im Vincenzheim Dortmund, gab zusammen mit Marion Zagermann, einst im Kinderheim Scherfede, sowie Gerald Hartford, einst bei den Salesianern in Hövelhof, den Anstoß zum Buch, indem sie - nach Jahren des Schweigens - endlich darüber sprechen konnten, was sie dort einmal erlebt hatten. Zu ihnen stiessen bis heute hunderte weitere ehemalige Heimkinder, deren Erlebnisse im Buch, in Zeitungsartikeln, in Radio- oder Fernsehsendungen und im Internet öffentlich gemacht wurden.
„Herzlichen Dank“ „an“ „alle“, „die“
seither „mitgewirkt" und „mitgeholfen“ „haben" „das jahrzehntelange Schweigen
über eines der dunkelsten Kapitel der Nachkriegsgeschichte zu brechen“.


Wir haben zwar von dem Fotographen in Bielefeld die Genehmigung die Fotos der drei  Nurthen,Zagermann,Hartford zu veröffentlichen. Aber die beteiligten möchten dies nicht.


Eine offene Diskussion

Sven Freytag, Matthias Kochs, Hiltrud Wegehaupt-Schlund und Peter Wensierski (von links) stellen sich den Fragen von ehemaligen Heimkindern und Journalisten.

"Beispiel für pädagogische Fehler"
Kinder- und Jugendhilfe St. Johannisstift setzt sich mit Historie der Heimerziehung auseinander
VON ANJA SPARBROD
¥Paderborn/Warburg. Sven Freytag fehlen buchstäblich die Worte. "Ich bin noch ganz zu von den vielen geschilderten Ereignissen", entschuldigt sich der Geschäftsführer des St. Johannisstiftes in Paderborn. So viele ehemalige Heimkinder waren auf Einladung der Kinder- und Jugendhilfe St. Johannisstift nach Paderborn gekommen. Und sie alle hatten ihre Erlebnisse aus den unterschiedlichsten Heimen in Deutschland mitgebracht und wollten sie endlich, endlich einmal loswerden.

Die Kinder- und Jugendhilfe St. Johannisstift – heutiger Träger der Kindervilla in Scherfede – hatte zu einer Fachtagung über die Historie der Heimerziehung eingeladen. "Ein Auslöser war das im Februar erschienene Buch ,Schläge im Namen des Herrn’ des Spiegel-Autors Peter Wensierski", sagte Matthias Kochs, der lange Jahre Leiter der Einrichtung in Scherfede war. Inzwischen ist er der Gesamteinrichtungsleiter Evangelische Kinder- und Jugendhilfe St. Johannisstift GmbH. Seit drei Jahren versucht er, die Vergangenheit von Scherfede aufzuarbeiten. Eine Vergangenheit, in der Kinder geschlagen wurden, Zärtlichkeit ein Fremdwort war und das Einsperren als Strafe an der Tagesordnung. "Wir sehen das Kapitel über die Vergangenheit unserer Einrichtung in Scherfede als grundsätzlich beispielhaft an für pädagogisches Fehlverhalten bis zum Teil in die 70er Jahre hinein in vielen deutschenHeimen", sagte Kochs. Zehn Thesen hatte er für die Fachtagung formuliert, die auch noch über den gestrigen Tag hinaus wirken sollen. "Wir wollen nun, nachdem uns die Vergangenheit der Heimerziehung in der Gegenwart eingeholt hat, nicht die Augen und Ohren verschließen, sondern uns offen und aktiv mit dem Thema beschäftigen; zuhören, reflektieren und agieren", lautet ein Punkt des Thesenpapieres.
"Wir bedauern die schlimme Tatsache, dass Gewalt und Unterdrückung die pädagogische Haltung und Methode vieler Menschen gewesen ist und nicht die Tat von einigen wenigen Verirrten und Verwirrten", so Kochs, der sich für den Tag der Fachtagung sich noch ein "stärkeres Aufeinanderzugehen" gewünscht hätte.
"Man kann in Deutschland keine Wunder erwarten, was die Aufarbeitung von Geschichte angeht", meinte Buchautor Peter Wensierski. Er sei auch nicht enttäuscht über die Reaktion von zwei älteren Diakonissen, die zunächst die Geschichten der Betroffenen anzweifelten. "Wenn man konkret nachfragt: Gab es Valium für die Kinder? – antworten sie ja", so Wensierski. Es müsse auf beiden Seiten noch viel geschehen, noch viele Bücher geschrieben werden, viele Filme gedreht. "Der Prozess der Aufarbeitung geht nicht so einfach", so der Spiegel-Autor.
Die Träger wollen aus der Vergangenheit lernen. "Mit dem neuen Kinder- und Jugendhilfegesetz hat sich ein Paradigmenwechsel in der Erziehungshilfe vollzogen", so Hiltrud Wegehaupt-Schlund vom Fachverband für Erziehungshilfen in Westfalen-Lippe.
@2006 Paderborn






Peter Wensierski

Peter Wensierski 2006 erhielt er den Medienpreis der Deutschen Kinder- und Jugendhilfe.Bücher Schläge im Namen des Herrn. Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik. Spiegel-Buchverlag in der Deutschen Verlags-Anstalt, Münche... mehr...


Montag, 5. April 2010

Historie Verein ehemaliger Heimkinder

Der Verein ehemaliger Heimkinder ( Vertreter seit Mai2009) versuchen unseren Blog zu sabotieren, indem sie ihn aus den Suchmaschinen entfernen lassen wollten.

Wir werden der Wahrheit auf den Grund gehen und weitere Einträge zu Historie der Heimkinderszene veröffentlichen.

Montag, 25. Januar 2010

Bundesweite Hotline auch für ehemalige Heimkinder aus Paderborn

Heimkinder, ehemalige

Die Deutsche Bischofskonferenz hat für ehemalige Heimkinder in katholischen Einrichtungen eine Telefon-Hotline geschaltet. Sie bietet die Möglichkeit, sich zu persönlichen Fragen und Problemen in Bezug auf die eigenen Erfahrungen und Erlebnisse in Heimen in Trägerschaft der katholischen Kirche in den 50er und 60er Jahren zu informieren und Beratung in Anspruch zu nehmen. Beratung ist per Telefon, im Internet oder - nach telefonischer Vereinbarung - direkt in der Beratungsstelle möglich.

Die telefonische Hotline ist zu folgenden Zeiten erreichbar:
Montag, Mittwoch, Freitag von 09:00 – 18:00 Uhr
Tel.: 0180 4100 400 (Kosten pro Anruf: 0,20 € aus dem Festnetz, ggfls. abweichende Preise aus den Mobilfunknetzen)

Internetberatung ist über den Link www.heimkinder-hotline.de möglich.

"System Heimerziehung“

23.1.2010

"System Heimerziehung“

Der "Runde Tisch Heimerziehung“ legt einen Zwischenbericht vor

Es ist ein offizielles Dokument, 46 Seiten lang. Gelegentlich auch mit Behördendeutsch und Bandwurmsätzen. Aber trotz solcher Sachlichkeit macht der Zwischenbericht, den der „Runde Tisch Heimerziehung“ nun vorlegt, deutlich, dass manche Heimkinder in der frühen Bundesrepublik regelrechtes Grauen erfahren haben.

Vollständigem Artikel hier weiter....

Sonntag, 24. Januar 2010

Lausitzer Rundschau: ''Runder Tisch Heimerziehung'' legt Zwischenbericht vor Aufarbeiten und entschädigen

Cottbus (ots) - Als das Ausmaß der Misshandlung von Heimkindern in Irland offenbar wurde, löste das dort fast eine Staatskrise aus. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist der Kreis der Betroffenen in Deutschland überhaupt nicht kleiner. Und auch bei der Schwere der Übergriffe, von folterähnlichen Strafen über Zwangsarbeit bis hin zu Vergewaltigungen, gibt es kaum Unterschiede. So kann man es jedenfalls dem gestern vorgestellten Zwischenbericht des "Runden Tisches Heimerziehung" entnehmen. 750000Kinder und Jugendliche wurden in den 50er- und 60er-Jahren in geschlossene, meist kirchliche Heime der alten Bundesrepublik gesteckt. Viele von ihnen haben Schlimmes erlebt. Das große Verdienst des Runden Tisches ist es, dass er dieses verschämte Leiden öffentlich gemacht hat, und dass viele jetzt zu berichten beginnen
weiter.

http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2010-01/15961412-lausitzer-rundschau-runder-tisch-heimerziehung-legt-zwischenbericht-vor-aufarbeiten-und-entschaedigen-007.htm

Freitag, 22. Januar 2010

Zwischenbericht zum runden Tisch Heimerziehung

22.01.2010 14.10 Uhr Frau Antje Vollmer beklagt Unrecht an ehemaligen Heimkindern

Runder Tisch Heimerziehung vom 22.01.2010
Historische Aufarbeitung  der ehemaligen Heimkinder

Dr. Antje Vollmer beklagt Unrecht an ehemalige Heimkinder zum Feature zum Beitrag anklicken!

Donnerstag, 22. Oktober 2009

Rettung des runden Tisches Heimerziehung gegen dem VEH.ev

Kaum jemand kann sich vorstellen, wie Heimkinder gelitten haben, als der runde Tisch durch Unwissenheit von dem neuen Vorstand vom Verein ehemaliger Heimkinder Mai 2009 fast zerbrochen wäre.
Nun ist der erste Zwischenbericht des runden Tisches für die Empfehlung- ende 2010 an den Bundestag erschienen. Der runde Tisch " Heimerziehung" hat zwei Jahre Zeit um die Verbrechen an betroffene Heimkinder aufzuarbeiten um dann ende 2010 eine Empfehlung an dem Bundestag weiterzuleiten.

Donnerstag, 3. September 2009

Der VEH .ev vor dem Kammergericht in Berlin.

BERLIN - Vor dem Saal 449 im altehrwürdigen Kammergericht Berlin geht es lautstark zu an diesem Donnerstag. Rund 50 Personen im Rentenalter beschimpfen sich gegenseitig mit deftigen Vokabeln wie „Spinner“, „Lügner“, „KZ-Aufseher“. Die aufgebrachten Streithähne der älteren Generation eint ein schweres Schicksal, aber nun gehen sie völlig getrennte Wege weiter zum Artikel

Beitrag dazu von fünf Heimkindern:
Ein Kampf den es bis Februar 2009 so nie gegeben hatte. Mit dem Führungswechsel des Vorstand 2009 wurde die Solidarität unter den Heimkindern zerstört. Heimkinder verlissen den Verein und kämpften fortan für sich selber. Alle Vorstände der Bundes-Interessengemeinschaft und dem daraus folgendem Verein traten aus dem jetzigem VEH.ev aus. In jedem Forum und jeder Webseite wird nun von VEH.ev, Leuten hintergejagt, die Heimkinder teils aufs übelste beschimpft,sollte sich zu dem Verhalten des jetzigem Vorstands geäußert werden.

Sonntag, 2. August 2009

DER GRUNDSTEIN VEREIN EHEMALIGER HEIMKINDER wurde in PADERBORN gelegt.

Im Februar 2003 erschien in einem Paderborner Kino der Film "The Magdalene Sisters".
Der in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnete Film, zeigte die erschütternde Geschichte von angeblich gefallenen Mädchen im Irland der 60er Jahre.
Nachdem sich herumgesprochen hatte wo dieser Film zu sehen ist, wurde der Film sofort aus dem Paderborner Kino entfernt. Dies war der Anfang für drei ehemalige Heimkinder aus Paderborn welche dieselben Erlebnisse in Deutschlands Heime, von 1950-1970 erlebten. Eine der dreien schrieb den Spiegel an und beschwerte sich darüber das sie genau dasselbe im Dortmunder Vinsenzheim erlebt hatte..
Peter Wensierski ein Spiegejournalist und Buchautor nahm sich die Erlebnisberichte der drei ehemaligen Heimkinder an.
Im Mai 2003 erschien der Artikel über die drei Heimkinder in der Zeitschrift.” Spiegel” ,zusätzlich ein Spiegel TV Bericht eine Woche später bei Spiegel TV, Sonntags 22.25 Uhr .
In den folgenden Wochen erhielten wir über 150 Leserbriefe und Anfragen von Medien die meisten von ehemaligen Heimkindern die auch in anderen Heimen dasselbe erlebt hatten,.
Die Arbeit war für diese drei Heimkinder mit Regina Eppert und Elke Meister kaum zu bewältigen, so wurde dann entschieden einen Verein für ehemalige Heimkinder zu gründen. Im August 2003 war das erste Treffen in Dortmund, im November 2003 sollte erst eine Bundes- Interessengemeinschaft gegründet werden aus der im Oktober 2004 dann der VEH.ev enstanden ist. Aus wichtigen Gründen musste der Termin zur Gründung zum 09.01.2004 in Paderborn verschoben werden, nämlich der LWL in Münster erklärte sich bereit am 21.11.2003 an diesem Tage vertreten durch Herrn Lehmkuhl , u. Herr Ditrich bei diesem Termin dabei zu sein Ein aufregender Tag für die ehemaligen Heimkinder welche an diesem Tage angereist sind, um das erste Mal vor der Presse und dem LWL über Ihre Erlebnisse zu sprechen. Am 09.01.2004 gründete sich die Bundes-Interessengemeinschaft ehemaliger Heimkinder in Paderborn von 1945-1975.Der Vorreiter zum “VEREIN EHEMALIGER HEIMKINDER.EV.
Die Gründung des VEH.ev im Kalmenhof wurde in Abwesenheit der Personen aus Paderborn, Münster und Warendorf mit neuen ehemaligen Heimkinder zusammengestellt und beschlossen.Die Anreise zum Kalmenhof war zu anstrengend. Die Zusammenarbeit mit Heinz Peter Junge lief über das Telefon. Im August 2005 war der VEH.ev offiziell durch Jürgen Schubert der als Vorsitzender gewählt wurde, beim Aachener Amtsgericht eingetragen worden Bis September 2005 koordinierten beide Paderborner Frauen über Paderborn, Münster, Kassel und Warendorf den bundesweiten Verein ehemaliger Heimkinder von 1945-1975.
Hierzu ist anzumerken, das Regina Eppert und Elke Meister die ersten waren die mit großem Engegement gemeinsam mit den beiden Frauen aus PB das Vorantreiben des Vereins und dessen Aufgabe bewältigt hatten. Leider sind alle diese Personen aus dem Verein, nach dem Führungswechsel Anfang 2009 zurück, nicht mehr als Mitglied anerkannt worden -oder ausgetreten.
L.



Das erste OUTING März 2003 Spiegelausgabe 05 Spiegel TV Film aus Mai 2003

Mai 2003 in Paderborn
PETER WENSIERSKI

KIRCHE Unbarmherzige Schwestern

Priester und Nonnen misshandelten in den fünfziger und sechziger Jahren [in Deutschland] Tausende Jugendliche, die ihnen in Heimen anvertraut waren. Die damals Betroffenen wollen den Skandal nun aufklären, stoßen aber auf eine Mauer des Schweigens.

Die Umerziehung zu einem wertvollen Mitglied der Gesellschaft begann mit einer Lüge, im Namen des Herrn.

Im Fond des Autos, erinnert sich Gisela Nurthen an jenen Tag im Frühjahr 1961, habe eine fremde Frau gesessen und ihr gesagt: "So, jetzt machen wir einen kleinen Ausflug nach Dortmund, da triffst du viele Mädchen in deinem Alter, es wird dir sicher gefallen."

Gisela Nurthen, damals gerade 15, glaubte ihr und stieg ein. Die Fahrt von Detmold nach Dortmund war kurz, dann hielt der Wagen in der Oesterholzstraße 85 vor einem düsteren Ziegelsteinbau, umgeben von hohen Mauern. Eine Nonne führte das Mädchen in einen Raum, in dem es in wadenlange graue Heimkleidung gesteckt wurde. Der Blick nach draußen war ebenso trist: An den Fenstern fehlten die Griffe, Gitter markierten das Ende aller Sehnsüchte. Aus einer Ecke drang leiser Kirchengesang.

Der Teenager hatte verstoßen gegen Sitte und Anstand, wie sie die junge und prüde Bundesrepublik damals definierte. Trotz des Verbots ihrer allein erziehenden Mutter war Gisela tanzen gegangen, hatte sich am Ende nicht nach Hause getraut, war mit einem Jungen nach Hannover gefahren und am nächsten Morgen beim Versuch, zurückzutrampen, von der Polizei aufgegriffen worden. Nur 24 Stunden später hatte sie der Vormund beim Jugendamt, "weil weitere Verwahrlosung droht", in das Dortmunder Heim geschickt - geleitet von den "Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vincenz von Paul".

So begannen zwei unbarmherzige Lebensjahre, die der erwachsenen Frau noch heute zu schaffen machen. Zwei Jahre lang war das junge Mädchen mitten in Dortmund eine Gefangene, ohnmächtig gegenüber einem perfiden Repressionssystem frommer Schwestern, mit Prügel gezwungen zu Gebet, Arbeit und Schweigen.

Giselas Schicksal teilten in den Anfangsjahren des Wirtschaftswunderlandes viele Gleichaltrige. 1960 trimmten katholische und evangelische Erzieher in rund 3000 Heimen mit 200 000 Plätzen die ihnen Anvertrauten. Sobald sich die Tore der konfessionellen Besserungsanstalten hinter ihnen schlossen, mussten viele von ihnen schmerzhaft erfahren, was damals Buße bedeutete: Misshandlungen, Ungerechtigkeiten, soziale Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen im Namen Gottes und der Kirche, die bis heute unangeklagt und damit ungesühnt sind.

Erst ein Kinofilm beendete die Sprachlosigkeit der [deutschen] Opfer: "The Magdalene Sisters" des britischen Regisseurs Peter Mullan über die Demütigungen und Qualen "gefallener Mädchen" in katholischen Magdalenen-Heimen Irlands. Der [irische] Film ermutigte Gisela Nurthen und viele andere einst Weggesperrte, ihr jahrzehntelanges Schweigen über die deutschen Verhältnisse zu brechen: "Die Betreiber der Heime, die Frauen- und Männerorden, die Verantwortlichen in Jugendämtern und Kirchen sind uns noch was schuldig."

Viele ehemalige Heimkinder verstanden die Botschaft des [irischen] Films, begriffen, dass die Traumata ihrer Kindheit auch deshalb oft noch heute andauern, weil es hier zu Lande [in Deutschland] kein breites öffentliches Bewusstsein, keine Aufarbeitung ihres Schicksals gegeben hat. Jetzt wollen sie reden über jene, die sie heute noch in ihren Träumen verfolgen und die der deutsche Filmtitel benennt: "Die unbarmherzigen Schwestern".

In Amerika und England verlangen seit kurzem ehemalige Opfer katholischer Heime Entschuldigung und Wiedergutmachung. Sollten sich auch die deutschen Heimkinder dazu entschließen, müssen sie sich wohl auf einen schweren Kampf gegen die Institution Kirche einrichten. Der Vatikan reagierte bislang ähnlich abweisend wie vor zehn Jahren, als die ersten Missbrauchsvorwürfe gegen Priester laut wurden. Und bei der Deutschen Bischofskonferenz, den Ordensgemeinschaften, bei Caritas und Diakonie will man angeblich nicht wissen, was jahrzehntelang unter ihrer Verantwortung geschehen ist.

Dabei liegen die letzten dieser Fälle gar nicht so lange zurück. So wurden Kinder im "St. Joseph-Haus" in Seligenstadt noch 1992 blutig geschlagen. Und im katholischen Stift zu Eisingen bei Würzburg wurden sie noch im Jahr 1995 beispielsweise zur Strafe in Badewannen mit kaltem Wasser gesteckt.

Doch vor allem von 1945 bis etwa 1970 wurden die schlimmsten Pädagogikvorstellungen der Nazi-Zeit in der kasernierten Fürsorgeerziehung nahezu ungebrochen fortgesetzt. Erst die "Heimkampagne" der APO und vereinzelte, auch von Ulrike Meinhof unterstützte "Befreiungsaktionen" leiteten Reformen ein.

Auf einer Tagung über katholische Heimerziehung beschrieb 1959 der Frankfurter Jesuitenpater Karl Erlinghagen seinen Brüdern und Schwestern Erziehern, mit wem sie es in den Heimen zu tun hätten: "Die Menschen [Babies, Kleinkinder, Kinder, Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsende], die Sie vor sich haben, seien sie nun Psychopathen, seien sie kriminell, seien sie irgendwie sinnesgeschädigt, auch ganz normal, diese Menschen leiden unter dem gleichen Fluch der Erbsünde, unter dem die ganze Menschheit leidet."

Den Fluch der Erbsünde bekämpften die unbarmherzigen Schwestern in Dortmund vor allem mit akkordähnlicher Arbeit. Gisela Nurthen wurde schon bald in jenen Trakt beordert, in dem Dutzende Mädchen mit gesenktem Blick nähten und stopften, wuschen, mangelten und bügelten. Dabei herrschte Sprechverbot, nur Marienlieder waren erlaubt. Arbeitsbeginn war sechs Uhr. Bis zu zehn [täglich] Stunden schuftete die 15-Jährige fortan im immer gleichen Takt - erst beten, dann mangeln.

Schon die geringsten Verfehlungen, erinnert sich die Frau, hätten Schläge oder andere Bestrafungen durch die Nonnen nach sich gezogen. "Wir wurden nummeriert und durften nur in Zweierreihen durchs Haus marschieren - zur Kirche, zur Toilette, zum Essen." Als sie im Schlafraum ein Elvis-Lied summte, musste Nurthen zur Einzelhaft in die "Klabause", eine Isolationskammer mit Pritsche und Eimer. Dem Essen wurden Medikamente untergemischt - welche das waren, hat sie nie erfahren.

Die hauseigene Großwäscherei war für die Schwestern ein lukratives Geschäft. Die Arbeit bringe, so der "Kirchliche Anzeiger", einen "nicht unerheblichen Teil" der Kosten ein. Dortmunder Hotels, Firmen, Krankenhäuser und viele Privathaushalte zahlten gut - und fragten nicht, wer da fürs Reinwaschen missbraucht wurde. "Die Kunden bekamen uns nie zu sehen, es gab einen Abholraum, zu dem war uns der Zutritt streng verboten." Lohn für die Mädchen gab es keinen, nicht mal Taschengeld - und als Folge auch keinen Rentenanspruch für diese Jahre. "Wir waren jugendliche Zwangsarbeiter", sagt Gisela Nurthen. "Mein Platz war an der großen Heißmangel. Das stundenlange Stehen in großer Hitze, das ständige Falten großer Bettwäsche ließ sämtliche Glieder schmerzen. In Zweierreihen trotteten wir abends schweigend in den Gängen zurück wie geprügelte Hunde."

"Die Kinder waren uns, unseren Launen, unserer Macht hilflos ausgeliefert."

"Jede Minute des Tages wurden wir bewacht, auch während des Entkleidens zur Nacht, jede Schamgrenze wurde verletzt. Sie spielten mit Schlüsseln oder Rosenkränzen und fixierten unsere jungen Körper." Die "Barmherzigen Schwestern" referierten dann gern darüber, wie man sich wirklich "unten reinwäscht", und kontrollierten es auch.

Den jungen "Sünderinnen" wurden immer wieder die heiligen Vorbilder vor Augen geführt, die "Blut male der heiligen Therese von Konnersreuth", Märtyrer, die lieber Folter ertrugen, als sich vom Glauben abzuwenden, oder die heilige Agnes, die sich geopfert habe, um ihre "Unversehrtheit" zu bewahren.

In ihrer Not empfanden es die Jugendlichen schon als Wohltat, zur Arbeit in die Großküche im Keller abkommandiert zu werden. "Das war der Traum aller, denn dort hielten sich die wenigsten Nonnen auf. Man konnte miteinander flüstern, wenigstens bis man die rasselnden Schlüsselbunde der verhassten Spitzhauben hörte", erzählt Gisela Nurthen.

Aber fast immer sei es um das alltägliche Elend gegangen, um geplante Ausbrüche, um Selbstmordversuche, etwa mit geschmuggelten Scheren aus der Nähstube oder Messern aus der Küche, um Sprünge aus den Fenstern oder auch um tatsächliche Suizide.

Es gibt heute kaum noch zugängliche Unterlagen über die düstere Realität in den Erziehungsheimen, die so friedfertige Namen trugen wie "Jugendheim Marienhausen" oder "Zum guten Hirten". Der Münchner Monsignore Alois Hennerfeind pries 1959 das Engagement der katholischen Drillmeister euphemistisch: "Welch unendlicher Wert an Liebe ist in den 22 400 Personen dargestellt, die in unseren 1500 Heimen Tag für Tag erzieherisch wirken."


Während die Deutschen unter Konrad Adenauer und Ludwig Erhard draußen neue Freiheit und Wirtschaftswunder erlebten, verbrachten von 1945 bis 1970 schätzungsweise eine halbe Million Kinder und Jugendliche ihre besten Jahre in solchen Anstalten.

"Wer damals misshandelt und in vielen Fällen auch sexuell missbraucht wurde, hat es später in seinem Leben mitunter weitergegeben", sagt der Aachener Herbert Kersten. In dieser Hinsicht hätten sich "die Ordensmänner und -frauen eigentlich am meisten schuldig gemacht".

Kersten gehört zu einer Gruppe von rund 25 ehemaligen Bewohnern des Eschweiler Kinderheims. Sein Bruder, ebenfalls ein Heimkind, wurde als Erwachsener zum Sexualstraftäter. Weil er glaubte, immer nur rückfällig werden zu können, brachte er sich 1998 um. "Daran sind die Nonnen schuld", habe sein Bruder im letzten Gespräch mit ihm geklagt, ehe er aus dem Fenster sprang, sagt Kersten.

Nur vereinzelt waren bisher Täter von damals bereit, mit ihren Opfern zu sprechen. Eine Dernbacher Nonne vom Orden der "Armen Dienstmägde Jesu Christi", die in verschiedenen katholischen Heimen gearbeitet hatte, ließ sich auf das Wiesbadener Ex-Heimkind Alexander Homes ein, als dieser für sein Buch "Gottes Tal der Tränen" recherchierte.

Sie gab zu, mit ihren Mitschwestern "im Namen Jesu Christi" Kinder körperlich und seelisch gequält, gedemütigt und bestraft zu haben: "Auch ich fing an, Kinder zu schlagen, zu bestrafen. Und ich wusste - wie alle anderen Nonnen und Erzieher auch -, dass die Kinder sich nicht wehren konnten. Sie waren uns, unseren Launen, unserer Macht hilflos ausgeliefert."

Man habe bei den Kindern eine große Angst verbreitet, die "ihre Seele und ihren kleinen Körper und ihr junges Leben" beherrschte. Als Unterdrückungsinstrument habe der [religiöse] Glaube gedient. "Durch die Drohung mit Gott", gestand die Schwester, "hatten wir die Kinder unter Kontrolle, auch ihre Gedanken und Gefühle."

Ein Entkommen war kaum möglich. "Nach draußen sind die Türen zu", beschreibt der "Kirchliche Anzeiger" in seiner Weihnachtsausgabe von 1964 vieldeutig das Dortmunder St. Vincenzheim. Und sagt auch ungeniert, warum: Die Mädchen seien "zu schwach für die Freiheit". Ihnen seien "Verantwortung und Pflicht fremde Begriffe", hier würden sie endlich "ordnende Maßstäbe" erfahren. Bei den Eingesperrten entlud sich die Wut über die Unterdrückung mitunter in Verzweiflungstaten. So würgte 1961 eine 18-Jährige die Wachhabende mit den Händen, um an Schlüssel für die Flucht zu kommen.

Heute sind in den meisten dieser Häuser die Spuren der Vergangenheit wegrenoviert, sowohl bei den Fassaden als auch in der Geschichtsschreibung. In Jubiläumsbroschüren wird die Zeit gern übersprungen, und in Ordnern existieren nur noch selten Aktenvermerke oder Fotos, die die dunklen Kapitel belegen könnten.

Der Aachener Jürgen Schubert - bis zum 18. Lebensjahr im St. Johannesstift in Marsberg/Sauerland, das die Barmherzigen Vincenz-Schwestern aus Paderborn unterhielten - scheiterte beim Versuch, seine früheren Peiniger zu verklagen. Er sagt: "Ich wurde immer wieder misshandelt, mit Fäusten und schweren Gegenständen traktiert." Aber es gab keine gerichtsverwertbaren Beweise. Die Nonnen ließen ihn nicht in ihr Archiv.

Auch Gisela Nurthen hat sich vergebens bemüht, irgendeine Spur ihrer Leidenszeit im Dortmunder Vincenzheim zu finden. Die Akten der beteiligten Institutionen - vom Jugendamt bis zum Vormundschaftsgericht - sind unauffindbar oder vernichtet worden.

Nur im Paderborner Mutterhaus der "Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vincenz von Paul", die sich Ende 1994 aus der Erziehungsarbeit zurückzog, könnten sich womöglich noch Unterlagen finden lassen. Doch hinter den dicken Mauern dürfen, so eine Order von Generaloberin Schwester Mediatrix, Interessierte nur bis ins Besucherzimmer. Dort führt dann Sprecherin Schwester Gabriele ein ganz besonderes Schweigegelübde vor.

"Wir haben keine Akten", wiederholt Schwester Gabriele nur monoton das Credo des Ordens. "Unsere alten Schwestern, die in den Heimen waren, wollen heute in Ruhe gelassen werden, die möchten wir nicht mehr in solche Gespräche einbeziehen." Schwester Gabriele war in den achtziger Jahren selbst in leitender Stellung im Dortmunder Vincenzheim und will angeblich nichts über die Jahre davor wissen. Eine Auseinandersetzung über die Zustände in den Heimen der Vincentinerinnen fand nicht statt. "Darüber haben wir nie gesprochen. Es hat uns ja auch bis heute keiner gefragt."

Auch viele der ehemaligen Heimkinder haben die schlimmen Jahre einfach nur vergessen wollen. Manche verschwiegen sie selbst dem Lebenspartner und den Kindern - wie Marion L., heute 49 Jahre alt.

"Ich hatte eine große Scham, darüber mit jemandem zu sprechen", berichtet sie. "Selbst meinem Sohn habe ich es lange Zeit verschwiegen, auch bei Nachfragen." Dabei hatte der Sohn Gründe nachzubohren: Schreie der Mutter in der Nacht, ihre unmotivierten Gefühlsausbrüche, eine lebenslange Tablettensucht als Folge der dem Essen beigemischten Medikamente, mit denen Kinder ruhig gestellt worden waren.

Marion L. lebte in kirchlichen Heimen, bis sie 19 wurde, im Paderborner "Erzbischöflichen Kinderheim" der Vinzentinerinnen und in einem [anscheinend damals zu Bethel gehörenden] Diakonissen-Heim im westfälischen Scherfede. Dort, erinnert sie sich, zischten allabendlich die Weidenruten auf die Kinder nieder, die vor dem Prügelzimmer wegen ihrer tagsüber begangenen "Verfehlungen", zu denen schon das Bohren in der Nase zählte, Schlange stehen mussten.

Marion und viele der hundert anderen Heimkinder wurden immer wieder eingesperrt in eine heute noch erhaltene Dachbodenabseite. Im Zwielicht der Kammer entwarf sie schon als Zwölfjährige wiederholt Selbstmordpläne. Einmal versuchte sie, vom Balkon zu springen, ein andermal legte sie sich auf die Gleise - und rollte dann doch beim Geräusch des nahenden Zuges zur Seite. "Ich wollte einfach nur noch, dass alles aufhört, denn die frommen Schwestern haben uns Kinder nicht als Menschen behandelt."

Im Heim zischten allabendlich die Weidenruten auf die Kinder nieder.

Weil ihre Mutter eine Affäre mit einem Ausländer verleugnen wollte, war Marion bereits mit sechs Monaten ins Heim gekommen. Den Vormund, der das entschied, hat sie niemals zu Gesicht bekommen. Sie nennt ihn einen "Schreibtischtäter", mitschuldig an einem System der unkontrollierten Kindesmisshandlung durch die vereinte Staats- und Kirchenmacht.

Jugendliche wie Gisela und Marion wurden auch Opfer eines letzten wertkonservativen Aufbäumens der bundesdeutschen Gesellschaft für Zucht und Ordnung. Nachbarn oder Lehrer dienten den Jugendämtern als Denunzianten, meldeten etwa den "unordentlichen Lebenswandel" junger Töchter allein erziehender Mütter. Die Einweisungsgründe hießen: Herumtreiberei, Arbeitsplatzwechsel, Schule schwänzen, Renitenz, sexuell haltlos.

Der verbissene Kampf gegen die Jugendkultur von Rockmusik, Minirock und Opposition, erfuhr Gisela Nurthen schon bei ihren ersten Recherchen, forderte viele Opfer - "von denen die meisten, heute um die 50 Jahre alt, im Leben beeinträchtigt wurden".

Kaum dem Dortmunder Vincenzheim entkommen, siedelte sie mit 21 Jahren sofort in die Vereinigten Staaten um, "nur weg von Deutschland". Erst vor wenigen Jahren kam sie nach Westfalen zurück. Auf Arbeits- und Sozialämtern, in Therapie- und Selbsthilfegruppen traf sie ehemalige Heimkinder, die nach und nach bereit waren, offen über ihr Schicksal zu sprechen. Gemeinsam wollen sie nun die Konfrontation mit ihrer Vergangenheit suchen.
Dass dies auch neue Demütigungen bedeuten kann, hat Gerald H., 53, gerade erst erfahren. Ihn hatten seine christlichen Erzieher im Salvator-Jugendheim im westfälischen Hövelhof 1970 sechs Wochen lang in einen dunklen Bunker gesperrt. Der Jugendliche hatte versucht, dem Arbeitszwang, den ständigen Schlägen und Demütigungen der Salvatorianer-Brüder durch einen Fluchtversuch zu entgehen.



Gerald H. will endlich über diese Zeit mit den verantwortlichen Kirchenleuten sprechen. Er hofft auf eine kleine Geste der Entschuldigung, der Wiedergutmachung. Ein Bruder Martin, erinnert er sich, habe ihn und die anderen ganz besonders sadistisch gequält. Doch Bruder Martin ruht heute auf dem Friedhof des Ordens.
Zum ersten Mal seit 33 Jahren wagte sich der Schweißer Ende März wieder in das Salvator-Haus hinein. Die Baracken, in denen er einst schuftete, sind vollkommen renoviert. Der heutige Heimleiter, Franz-Josef Vullhorst, erlaubte ihm den Zutritt nur bis zur Pforte. Bunker und Schlafräume blieben tabu, "weil wir hier immer noch Kinder haben, da kann man nicht einfach so reingehen". Vullhorst ließ sich immerhin zur Aktensuche im Archiv überreden - und förderte dabei einen nicht vernichteten Ordner zu Tage.
Gerald H., der kurz darin blättern durfte, war fassungslos. Die Akte enthält ein Foto von ihm, als er 18 war. Es prangt auf einem Formular, auf dem fett gedruckt "Beobachtungsbogen" steht. Rund 100 Dokumente zeigen, wie nichtig damals die Gründe für seine Heimeinweisung waren. Obendrein gibt es Originale von Briefen, die er im Heim an seine Mutter schrieb, die aber offenbar von den Salvatorianer-Brüdern abgefangen wurden, ebenso liebevolle Briefe seiner Mutter, die ihm nie ausgehändigt wurden.
Auch eine Art Gutachten seines letzten Lehrers findet sich. Der schrieb: "Wenn Gerald nun in ein gutes Milieuumfeld hineinkommt, hat er alle Chancen, ein gutes und erfolgreiches Leben zu führen."
Gerald H. weinte, der Heimleiter guckte betreten und nahm ihm die Akte wieder ab. Er verlangte einen "ordentlichen" Antrag auf Akteneinsicht. Gerald H. stellte ihn an Ort und Stelle schriftlich.
Am nächsten Tag wurde der Heimchef vom Hausjuristen der Caritas in Paderborn gerüffelt. Die Einsicht in die Akte "hätte nicht geschehen dürfen", sagte der fromme Advokat, "es könnte ja Negatives drinstehen". Ein paar Tage später verweigerte das Heim, beraten vom Erzbistum Paderborn, die Herausgabe der Papiere. Für Gerald begann ein langer Kampf um seine Akte.
Der erste kurze Einblick hat bei ihm die Erinnerung an Pater Vincens befördert. Der geistliche Herr findet sich heute in Berlin. Dort ist er seit 1972 ein wohlgelittener Mann, Gefängnis- und Notfallseelsorger, mit Ehrungen überhäuft, vom Bundesverdienstkreuz bis zum Verdienstorden des Landes. Vor wenigen Monaten erst ging Pater Vincens in den Ruhestand, begleitet von freundlichen Würdigungen.
Vor Kameras und Mikrofonen redet er immer noch gern und viel, aber nur selten darüber, was er vor seiner Berliner Zeit gemacht hat. Gerald H. traf ihn im Garten seines Alterssitzes, dem Salvatorianer-Kloster in Berlin-Lankwitz. Erst nach wiederholter Nachfrage gab der Pater zu, im Heim von Hövelhof gewesen zu sein. 300 schwer Erziehbare seien dort gewesen, erinnerte er sich.
Dabei huschten, als Gerald und Pater Vincens sich gegenüberstanden, die Augen des Salvatorianers hin und her, signalisierten Erschrecken über die unverhoffte Begegnung mit der verdrängten Vergangenheit. Ein mitgebrachtes Jugendbild des ehemaligen Heimkindes wollte der Ordensmann schnell wieder abgeben. Ja, räumte er dann ein, man habe schon mal Störenfriede in einen "Besinnungsraum" gesteckt. "Aber nur kurz."
Besinnungsraum? Oder Bunker? Gerald H. erinnerte sein Gegenüber daran, dass er sechs Wochen in dieser Isolation mit Eimer und matratzenloser Holzpritsche zubringen musste. "Das hatte ich nicht zu verantworten, und deswegen muss ich jetzt wohl das Gespräch beenden."
Pater Vincens ließ seinen Gesprächspartner, der noch so viele Fragen an ihn hatte, einfach stehen, drehte sich um und zog sich in sein Kloster zurück. An der Pforte stockte er und rief: "Und bitte, verlassen Sie das Grundstück."
@ Spiegelartikel aus Mai 2003
PETER WENSIERSKI









Freitag, 12. Juni 2009

Die Schwestern vom Zionsberg in Scherfede/ Rimbeck

sitestat

SEIT 2003-bis zum heutigem TAGE hüllen sich die Schwestern vom ZIONSBERG "Scherfede/ Rimbeck"- in SCHWEIGEN. DIE MISSHANDLUNGEN an IHN damals anvertraute KINDERN und Jugendlichen haben ein LEBENLANG zu leiden.

Ursula Metz, ELLEN Schönbeck verweigern jeden Kontakt zu den misshandelten ehemaligen HEIMKINDERN. Der heutige Träger fand das Aktenmaterial im Archiv,musste feststellen wie furchtbar die Kinder in Scherfede behandelt worden sind.

Montag, 27. April 2009

Zum ersten Jahrestag der Veröffentlichung des SPIEGEL-Buches

11.02.2007 http://www.schlaege.com


Zum ersten Jahrestag der Veröffentlichung des SPIEGEL-Buches
"Schläge im Namen des Herrn - Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik"


11.02.07 Heute vor einem Jahr...
...erschien das Buch “Schläge im Namen des Herrn”!


Darum sei hier an dieser Stelle einmal allen herzlich gedankt, die daran mitgewirkt haben: insbesondere den ehemaligen Heimkindern, die für das Buch das erste Mal den Mut hatten, über ihr Schicksal zu berichten. Damit haben sie mitgeholfen, das jahrzehntelange Schweigen über eines der dunkelsten Kapitel der Nachkriegsgeschichte zu brechen und den Opfern der Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland endlich Gehör zu verschaffen: bei den Kirchen, beim Staat, bei den Betreibern der Heime und in der gesamten Gesellschaft. Dazu haben auch das grosse Medienecho auf das Buch sowie der Verein ehemaliger Heimkinder und zahlreiche engagierte Einzelpersonen in diesem Jahr vielerorts mit beigetragen.
Die verstorbene Gisela Nurthen, einst im Vincenzheim Dortmund, gab zusammen mit Marion Zagermann, einst im Kinderheim Scherfede, sowie Gerald Hartford, einst bei den Salesianern in Hövelhof, den Anstoß zum Buch, indem sie - nach Jahren des Schweigens - endlich darüber sprechen konnten, was sie dort einmal erlebt hatten. Zu ihnen stiessen bis heute hunderte weitere ehemalige Heimkinder, deren Erlebnisse im Buch, in Zeitungsartikeln, in Radio- oder Fernsehsendungen und im Internet öffentlich gemacht wurden.
„Herzlichen Dank“ „an“ „alle“, „die“
seither „mitgewirkt" und „mitgeholfen“ „haben" „das jahrzehntelange Schweigen
über eines der dunkelsten Kapitel der Nachkriegsgeschichte zu brechen“.


Wir haben zwar von dem Fotographen in Bielefeld die Genehmigung die Fotos der drei zu veröffentlichen. Aber uns Entschieden nicht zuviel ins Netz zu setzen.

Donnerstag, 23. April 2009

Buchvorstellung von Marion J. Z

Buchvorstellung von M. J. Z

Paderborn, 1. Februar 2006

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren.

Nach drei Jahren intensiver Recherche haben wir es nun geschafft. Viele ehemalige Heimkinder wurden dabei nach vielen Jahren mit dem konfrontiert, was uns ein Leben lang begleitet hat, worüber wir aber aus Angst und Scham nie sprechen wollten.

Obwohl wir uns schon länger kannten (seit ca. Januar 2001), hat mich meine Freundin Gisela Nurthen damals erst nach langer Zeit des Beobachtens (erst in Januar 2003) gefragt: "Sag mal Marion, kann es sein das Du einmal in einem Heim warst?". Ja, ich war wie vor den Kopf gestoßen aber sagte trotzdem sofort "Ja". Obwohl wir uns glaubten zu kennen, hatte keiner von dem anderen diese Tatsache gewusst. Beide waren wir ehemalige Heimkinder.

Gisela Nurthen war als Teenager von den westfälischen Jugendbehörden vier Jahre lang bei den Nonnen im Dortmunder Vincenzheim eingesperrt worden, wo sie in den 1960er Jahren gezwungen wurde, schweigend, 10 Stunden lang von Montag bis Freitag, und halbtags am Samstag, unentlohnt, in der für diesen Orden – die Vincentinerinnen – sehr lukrativen heimeigenen Grosswäscherei, zu schuften.

Ich musste meine Kindheit und Jugend in verschiedenen konfessionellen Heimen in Westfalen-Lippe verbringen, eingeschlossen in dem damals von Diakonissen betriebenen berüchtigten Scherfede. Es waren furchtbare Zeiten auch für mich.

Das Stigma ein Heimkind gewesen zu sein, hat uns immer begleitet und wir haben es vor allen Menschen versucht zu verstecken.

Wir glaubten, andere Menschen würden uns dann nur als minderwertig oder gar als kriminell ansehen! So wurde es damals auch in der Gesellschaft, in den Familien, den Kindern erzählt: "Kinder aus Heimen taugen nichts."

Dieses Gefühl, diese Ängste vor Menschen, hat man uns in den Heimen anerzogen.

Jeder der sich mit der deutschen Geschichte einmal wirklich richtig auseinandergesetzt hat, wird in diesem jetzt erschienenen Buch zu diesem Thema, hoffentlich endlich erfahren, was wir erlebt haben, wer wir waren und wie sehr wir gelitten haben.

Mit diesem Buch, das wir mit dem Autor auch demnächst in Paderborn vorstellen wollen, ist für uns die Hoffnung verbunden, dass endlich das vielleicht größte Unrecht an uns Kindern und Jugendlichen der Nachkriegszeit zur Sprache kommt.

Mehr als eine halbe Millionen Kinder waren von 1945 bis weit in die 70 Jahre in den rund 3000 Heimen West-Deutschlands eingeliefert und eingesperrt worden und viele ihnen sind durch diese Erziehung schwerstens traumatisiert worden.

Ich erinnere hier auch an den kürzlich erschienenen Film über den Fall von Paul Brune: "Lebensunwert – NS Psychiatrie und ihre Folgen!" Dieser Film wurde von Dr. Krieg und Monika Nolte recherchiert und gedreht.

Ich selber habe mich ein Leben lang schlecht gefühlt und wusste nicht "Warum?" Ich kam mit 10 Monaten ins Heim und musste 16 Jahre lang dort verbleiben. EDIT quälten mich über alles, als letzten Ausweg, mich allem zu entziehen. Es war ein schweres und anstrengendes Leben.

Ich möchte alle unbedingt auf dieses SPIEGEL-Buch hinweisen und aufmerksam machen: "Schläge im Namen des Herrn – Die verdrängte Geschichte der Heimkinder in der Bundesrepublik". Es ist hoch zu empfehlen! Dieses Buch wird ab etwa dem 11. Februar 2006 in den Buchläden erhältlich sein.

Ich hoffe, dass es auch für die heutige Generation von Pädagogen, Erziehern und Heimbetreibern wertvoll sein wird, und auch in den Schulen eine Bereicherung im Lehrplan. Weil jeder ein wachsames Auge haben sollte und ein Wissen darüber, was die vorherige Generation für Fehler mit Kindern und Jugendlichen gemacht hat, die sich nie wiederholen dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

M.J Z.

DAS SCHWEIGEN DER (UNSCHULDS)LÄMMER : KIRCHE UND STAAT

von Gisela Nurthen und Marion J.Zagermann Paderborn 2003

DAS SCHWEIGEN DER (UNSCHULDS)LÄMMER : KIRCHE UND STAAT
– betreffs Institutioneller Kindesmisshandlung in meistens kirchlichen Heimen in Deutschland

Es ist schon erstaunlich und macht einen nachdenklich, wenn man erwägt, dass bis heute eines der größten Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte- und Sozialpolitik einfach unter dem Deckel des Schweigens verschwindet. Aber unter dem Deckel brodelt es, denn was bekanntlich lange vor sich hin kocht, läuft irgendwann mal über den Rand. Und seit einiger Zeit schon ist das jetzt der Fall.

Damit sind aber scheinbar unsere führenden Politiker aller Parteien völlig überfordert. Ebenfalls die "Hoheiten" der beiden deutschen Amtskirchen. Denn sie alle sind verantwortlich für die Kinder und Jugendlichen der Nachkriegsjahre, die in den von ihnen geleiteten 'Heimen' unfassbaren Leiden ausgesetzt waren: Zwangsarbeit, Demütigungen, Folterungen, Misshandlungen und Missbrauch.

Die Opfer dieser Leidenszeit sind jetzt aber motiviert darüber zu berichten, ein öffentliches Unrechtsbewusstsein zu fordern und ihre Rechte geltend zu machen. In Kinder- und sogenannten "Fürsorge"-Heimen wurden die Hilfsbedürftigen und ihre Menschenrechte mit Füßen getreten, gemäß der Leitschnur der Nationalsozialisten, und weitergehend so nach 1945; und auch nach 1949 wurde es massenhaft fortgesetzt, noch bevor die Tinte beim Unterschreiben des Grundgesetzes trocken war. Kinder wurden halbtot geprügelt, in Isolierhaft gesteckt und fast bis zum Verhungern liegengelassen.

Was jahrelang verdrängt und verschwiegen wurde, zu schwersten Traumatisierungen führte, hat jetzt eine Sprache bekommen. Einige mutige Medienvertreter bringen an’s Tageslicht, wovon jahrzehntelang niemand etwas wissen wollte. Die Medienpräsenz einiger ehemaliger Opfer motivieren weitere der Geschädigten aus ihrer Isolation und aus ihrem autistisch geführtem Leben herauszubrechen, um ihrem Dasein einen neuen Sinn zu geben: dem Sinn der Aufklärung jetzt nachzugehen und ihn leidenschaftlich und mit Entschlossenheit zu verfolgen.

Warum tut sich Deutschland damit schon wieder so schwer? Warum wird wieder verleugnet? Oder ist es wirklich so, dass uns erst wieder das Ausland auf die Sprünge helfen muss, diese dunkelsten Jahre der Kindheitsverbrechen an unseren deutschen Mitbürgerinnen verständlich zu machen? Lokale und überregionale Print-Medien, TV und Hörfunk haben jetzt angefangen ab und zu mal darüber zu berichten; allerdings schweigt die Gesellschaft als Ganze, schweigen die Kirchenvertreter und Politiker, noch immer. Unwillkürlich (was die beiden deutschen Amtskirchen und die Politiker betrifft) denkt man dann aber auch sofort an die drei sitzenden Affen: Der erste will nichts hören, der zweite will nichts sehen, und der dritte will nichts sagen. Oder ist es der bekannte Wind, der uns schon nach 1945 umwehte? Man wusste nichts, aber man wusste doch nicht so recht ob man was wusste?

Hatten ehemalige Bedienstete in diesen 'Heimen' Angst um ihre beruflichen Zukunftschancen, oder waren sie schon infiziert vom "Erreger" der Brutalität? Warum schwiegen Ärzte, Studenten, Lehrer, junge Novizen und Priester der Orden, Diakonissen und Diakone des Evangeliums, die angeblich ihr Leben der Nächstenliebe geweiht hatten? Alle sahen die Wunden, die Eiterbeulen, die Striemen, die geschwollenen Gesichter verursacht durch Schläge – sie blickten doch täglich in die blutunterlaufenen Kinderaugen! Ist es nicht beschämend, in Deutschland mit einer fast 60 Jahre langen Lücke in der Heim-Pädagogik aufweisen zu müssen? Ja, wir haben alles gelesen, haben turmweise Bücher aus pädagogischen Fachhochschulen nach Hause geschleppt, um irgendetwas zu finden, was wir selbst erlebt hatten. Es ist verdammt hart zu finden. Alles bleibt tabuisiert, verschwiegen und versteckt, bis heute.

Geht es aber um Missstände im Ausland, wird eiligst das Mäntelchen des politischen Gutmenschen übergestreift um sich dementsprechend zu profilieren. Auch die Medien werden nicht müde, über Kinder-Zwangsarbeit, Kinderfolterungen oder über Käfig-Haltung von Kindern in irgendwelchen anderen Ländern zu berichten. Da braucht ihr gar nicht so weit schauen, wir sind hier, wir leben noch, wir haben die deutsche Version von 1945-1985, über zwei Generationen hinweg am eigenen Körper erlebt! Während in Kinos "Grün ist die Heide" lief, waren Hunderttausende von Kindern und Jugendlichen wehrlos einem Terror-Regime ausgesetzt, hinter Stacheldraht oder hohen Mauern, oder in Abgelegenheit in Teufelsmooren wie zum Beispiel im Betheleigenen Freistätter Wietingsmoor im Hannoverschen, wo dieses Terror-Regime mindestens für insgesamt 86 Jahre von Bethel getrieben wurde.

Versuche von einigen "ehemaligen Heimkinder" durch Internet-Foren mit Politikern oder Kirchenverbänden die Sache aufzuarbeiten, scheitern schon beim ersten Versuch. Es wird weiterhin verhöhnt, verleugnet, überhaupt nicht geantwortet oder einfach gelöscht. Gelöscht?! Das lässt Erinnerungen an die Bücherverbrennung während der NS-Zeit hochkommen!

Wir alle, Mitglieder der *Bundes-Interessengemeinschaft der missbrauchten und misshandelten Heimkinder in Deutschland, 1945-1985*, international vertreten durch den *Bund der (jetzt aktiven) von den Kirchen in Deutschland in Heimen misshandelten Kinder, 1945-1985* sind und waren immer bereit für eine direkte Konfrontation mit den Verantwortlichen, um unsere Traumata besser verarbeiten zu können. Leider müssen wir immer wieder erfahren, dass wir weiterhin unerwünscht sind, und kein Interesse an den Folgeerscheinungen dieser Leidenszeit besteht. Allein der Landschaftsverband Westfalen-Lippe erklärte sich bereit, Gespräche mit uns zu suchen und unsere Akten ausfindig zu machen. Dieses Versprechen wird auch eingehalten.

Doch sollten auch die jetzigen Nachfolger und Verantwortlichen von Kirche und Politik diesem Beispiel folgen und diesem Teil der Geschichte nachgehen. Sie sollten nicht weiter so tun, als hätte es diese Zeit nie gegeben. Es gab sie, und wir sind ihre Zeitzeugen!

Auch ist es für die jüngere Generation wichtig, über diese Zeit zu erfahren. Immer wieder werden wir gefragt: "Warum steht so etwas nicht in Geschichtsbüchern? Wir dachten, nach 1945 war Schluss damit." Da müssen wir dann leider antworten, dass es für uns erst richtig anfing, und dass niemand sich um uns kümmerte.

Jetzt aber stehen wir die betroffenen "ehemaligen Heimkinder" Deutschlands vereinigt und entschlossen einander zur Seite: einer für alle und alle für einen – gemeinsam anstatt einsam. Und so treten wir jetzt unseren damaligen Peinigern entgegen und verlangen einstimmig unser Recht auf Gehör.

Wie junge Knospen reckten wir uns Der Sonne entgegen
Wollten das Leben probieren
Wollten vom sanften Wind
Der Liebe gestreichelt werden
Wollten tanzen, wollten Bewegung
Wollten stark werden
Doch die Bräute Christi
Fesselten uns
Mit dem Befehl eines permanenten Silentiums.
Wir wollten wachsen und gedeihen.
Wir gingen nur etwas in die Höhe.

Ein Meer von Blüten der Jugend
15, 16, 17, 18 Jahre alt
Warteten hoffnungsvoll auf eine Zukunft
Doch Gottes stellvertretende Hände
Wurden Fäuste, peitschten nieder
Auf junge Körper und Seelen
Ertränkten uns im Meer eigener Tränen.
Viele weinen noch immer!

Montag, 23. März 2009

Heimkinder prangern Misshandlung an

++ 01.06.2004 15:49, dpa ++

Heimkinder prangern Misshandlung an
++ 01.06.2004 15:49, dpa ++

Kassel (dpa) - Die Vorwürfe wiegen schwer: Von Psychoterror,
körperlicher Misshandlung bis zu sexuellem Missbrauch reicht die Liste
der Anschuldigungen, die ehemalige Heimkinder bei einem Treffen am
Pfingstwochenende gegen Kinderheime in ganz Deutschland erhoben.
Für das, was sie nach ihrer Schilderung zwischen 1950 und 1970 in den
kirchlichen und staatlichen Einrichtungen erlitten haben, verlangen sie
Entschädigung und Wiedergutmachtung. Die kürzlich gegründete
Interessengemeinschaft misshandelter und missbrauchter Heimkinder, die
das Treffen in Kassel organisierte, versteht sich zugleich auch als
Selbsthilfegruppe.

"Es herrschte militärischer Drill", erinnert sich Heinz Peter Junge an
seine Zeit im Kinderheim Kalmenhof in Idstein. Geschlagen worden sei
dort mit Ochsziemern, Keilriemen und Gabeln. "Ich hätte fast eine Niere
verloren, weil ich mit einer Dachlatte geprügelt wurde, in der ein Nagel
steckte." Als preiswerte Arbeitskräfte seien die Heimkinder in der
Landwirtschaft eingesetzt worden. "Wir waren Maschinen, abgestumpft,
programmiert." Nach der Heimentlassung folgten Probleme mit Alkohol und
Drogen, zwei Selbstmordversuche und drei gescheiterte Ehen. "Ich wusste
nicht, was Liebe, was Zuneigung ist." Erst später habe er die Kurve
gekriegt.

"Wir wurden wie Sklaven gehalten", beschreibt Reiner Baatz seinen
Aufenthalt in einem Kinderheim an der Mosel. Bis zu 14 Stunden täglich
habe er für ein kleines Taschengeld im Weinberg arbeiten müssen. Von
seinen Geschwistern sei er getrennt worden. "Meine Schwester hat sich
aufgehängt, die war in einem katholischen Heim in Boppard."

Dass heute diese Schilderungen keiner glaube, sei für ihn schlimmer als
das eigentliche Geschehen. Dirk Friedrich war im St. Hedwig-Kinderheim
in Lippstadt in Ostwestfalen. Abstrafungen und ein ständiges Gefühl von
Schuld und Angst hätten dort geherrscht, sagt er. "Ich habe angefangen,
mich selbst zu verletzen, um Zuneigung zu kriegen."

"Es ist richtig, was die Interessengemeinschaft sagt", erklärt Jörg
Daniel, Sprecher des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV) in Kassel, der in
Hessen Träger etlicher Kinderheime ist. "Es wurde damals erzieherisch
gearbeitet, wie es heute nicht mehr vorstellbar ist." Vereinzelt sei
dabei auch Gewalt angewendet worden. "Es herrschte noch eine autoritäre
Nachkriegsstimmung." Über die Bedingungen speziell in Idstein habe der
LWV später eine große Untersuchung anstellen lassen. "Wir sind
interessiert daran, dass man weiter darüber redet, wie die Bedingungen
waren."

Die strenge Heimerziehung in Deutschland wurde Ende der sechziger Jahre
zur Zielscheibe der Studentenbewegung, die mit der so genannten
Heimkampagne ein Umdenken und eine Verbesserung der Zustände in den
Heimen in Gang setzte. In Hessen demonstrierten 1969 rund 200 Menschen
vor dem Jugendheim Fuldatal bei Kassel, darunter die spätere
RAF-Terroristin Ulrike Meinhof. Aktionen linker Gruppen, die zur
außerparlamentarischen Opposition (APO) zählten, gab es in weiteren
Heimen in Hessen und anderen Bundesländern.

"Durch die großen Institutionen mit großen Gruppen abseits der großen
Städte entstanden problematische Bedingungen", sagt der Vorsitzende der
Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen in Frankfurt,
Hans-Ullrich Krause. "Nach den Sechzigern hat sich eine ganze Menge
verbessert." Die Ausbildung der Erzieher habe sich verbessert, viele
Großeinrichtungen seien aufgelöst und die Kontrolle der Heime durch die
Jugendämter stark verbessert worden. "Das System ist seitdem dezentraler
geworden, die Heimunterbringung ist die letzte Möglichkeit", sagt
LWV-Sprecher Daniel. Bevorzugt würden heute betreute Wohngemeinschaften.

"Wir wollen eine Wiedergutmachung und eine Anerkennung unserer Arbeit
für die Rente", sagte der Vorsitzende der Anfang des Jahres in Paderborn
gegründeten Interessengemeinschaft, Jean-Pierre de Picco. Vom
Arbeitseinsatz der Heimkinder hätten auch Firmen profitiert. Auch diese
sollten ermittelt werden. Rund 400 Ehemalige hätten sich bereits bei der
Organisation gemeldet, die Zahl der Betroffenen aber gehe in die
Tausende. "Nicht jeder meldet sich, weil viele noch immer Angst haben",
sagt er. "Du hattest zu glauben an Gott, Sünde und Strafe."

Freitag, 23. Januar 2009

Ehemalige Heimkinder klagen über Misshandlungen

Ehemalige Heimkinder klagen über Misshandlungen

28.05.04 - 14:13

Kassel (rpo). In deutschen Heimen sind bis in die Mitte der 80er Jahre
hunderte Kinder systematisch misshandelt worden, vor allem von
katholischen Nonnen, Priestern und Erziehern. Das sagte der Vorsitzende
der "Bundesinteressensgemeinschaft der misshandelten und missbrauchten
Heimkinder Deutschlands", Jean-Pierre de Picco, am Freitag.

In 90 Prozent aller Fälle seien die Kinder in katholischen Heimen
misshandelt worden. Rund 3.600 Heime habe es in den 50er und 60er Jahren
in Deutschland gegeben, sagte er. Bei den Misshandlungen habe es sich
nicht um Einzelfälle gehandelt. Viele Betroffene leiden nach seinen
Angaben heute noch unter den erlittenen Misshandlungen. Angststörungen,
Suchterkrankungen, Albträume und Depressionen seien bei den ehemaligen
Heimkindern keine Seltenheit. "Wir fordern eine öffentliche
Entschuldigung für das Leid, dass uns in den Heimen angetan worden ist",
sagte de Picco.

Am Samstag treffen sich etwa 100 Betroffene zu einem Kongress des
Vereins in Kassel. "Wir bauen gerade eine Datenbank mit den Berichten
von Betroffenen auf", berichtete de Picco.

"Wir wurden von den Nonnen selbst bei Kleinigkeiten blutig geprügelt und
ausgepeitscht", sagte de Picco. Zur Nikolauszeit seien sie mit
Dornenstöcken geprügelt worden. Der Künstler und Stadtschreiber in
Hameln war von 1963 bis 1972 in Lippstadt in einem katholischen Internat
der "Heiligen Hedwigschwestern" untergebracht. Mittlerweile ist das
Internat geschlossen. Gefürchtet sei bei den Kindern auch gewesen, über
Nacht im Keller bei den "toten Nonnen" eingesperrt zu werden. Dort
wurden die verstorbenen Nonnen vor ihrer Bestattung aufgebahrt.

Zwei Jahre Hausarrest

Mädchen, die erstmals ihre Menstruation bekommen hatten, mussten
ebenfalls mit Bestrafung rechnen, weil sie "sündig" wurden, berichtete
de Picco. Haben Kinder nicht pariert, seien sie in den Heimen an ihre
Betten gekettet und mit Medikamenten ruhig gespritzt worden. Lehrer,
Jugendämter oder der Vormund hätten über die Misshandlungen geschwiegen.
"Heute ist die Situation aber anders, da gibt es in den Heimen viel mehr
Kontrollen", sagte de Picco.

Auch die 58-jährige Gila M. aus Paderborn berichtete von schweren
Misshandlungen durch Nonnen. Sie war von 1961 bis 1962 im Dortmunder
Vincenz-Heim untergebracht. "Ich bin da psychisch fertig gemacht
worden", sagte sie. Sie habe als 15-jährige zwei Jahre lang nicht das
Haus verlassen dürfen. "Es ging nur um den störungsfreien
Arbeitsablauf", sagte Gila M. Sie habe acht bis zehn Stunden täglich in
der Wäscherei hinter der Mangel stehen müssen, ohne auch nur mal extra
etwas Wasser zu bekommen. "Sprechen war von den Vincenz-Schwestern aus
verboten, stattdessen mussten wir ununterbrochen Marienlieder singen",
sagte die 58-Jährige. Immer wieder hätten Mädchen Selbstmord begangen.
Es habe zwar auch nette Nonnen und Erzieher gegeben. "Die wurden aber
schnell weggemobbt oder versetzt", berichtete sie. Erst heute könnten
Betroffene über ihre Heimerfahrung sprechen. "Viele verdrängen das aber
immer noch oder haben Angst, dass man ihnen sowieso nicht glaubt", sagte
Gila M.

Seit Gründung des Vereins der misshandelten Heimkinder Anfang des Jahres 2004
gibt es laut de Picco Hunderte Anfragen Betroffener aus ganz Deutschland
und sogar aus den Niederlanden und Spanien. "Uns würde eine öffentliche
Entschuldigung der Kirche und der Ordensinstitutionen enorm helfen, die
Misshandlung zu verarbeiten", sagte de Picco. Auch eine einmalige
Entschädigungszahlung wäre wünschenswert. Bislang habe die Kirche jedoch
zu den Vorwürfen geschwiegen.

Vom Caritasverband und der Deutschen Bischofskonferenz war zum Kongress
der misshandelten Heimkinder keine Stellungnahme zu erhalten.

Follower